Weilmünsters Schulen von 1593 bis Anfang des 20. Jahrhunderts

Weilmünsters Schulen von 1593 bis Anfang des 20. Jahrhunderts

Der Heimatverein Weilmünster erinnert

Weilmünsters Schulen von 1593 bis Anfang des 20. Jahrhunderts

Frei nach den Aufzeichnungen von Robert Dann – Redigiert von Heribert Domes, 2022

Im 16. Jahrhundert zog der Staat, zur Umsetzung der Reformation, das Vermögen der katholischen Kirche ein. Das Weilmünsterer Kirchenvermögen ging auf die Grafschaft Nassau-Weilburg über. Unter anderem mussten die beiden Altäre St. Sebastian (1480 erwähnt) und der Marienaltar (1536 erwähnt), abgetreten werden. Die Gemeinde Weilmünster bat im Jahr 1547 den Grafen um Überlassung des aus dem genannten Einzug verlorenen  Kirchenvermögens, um mit diesem Geld eine christlich deutsche Schule einzurichten. Außerdem bat im selben Jahr der Pfarrer Otto Urbach um Überlassung eines Ackers zur eigenen Nutzung. Kaspar Goltwurm, der II. Reformator von Nassau-Weilburg, besuchte am 04.01.1548 Weilmünster und schlichtete den Streit des Pfarrers mit seinem Vorgänger sowie mit der Gemeinde. Es verging jedoch fast ein halbes Jahrhundert bis endlich am 12. August 1593 die seit langer Zeit ersehnte Schulgründung in die Tat umgesetzt werden konnte. Mit Beginn des Winterhabjahres 1593 konnte der Schulbetrieb aufgenommen werden. Die Unterrichtsperiode begann am Michaelistag (29. September) und endete am Tag vor Pfingsten des Folgejahres. Zwischen Pfingsten und dem Michaelistag fiel der Unterricht aus, da die Kinder bei der Ernte helfen mussten. In welchen Räumlichkeiten die Schule damals eingerichtet worden war, ist aus der genannten Quelle nicht ersichtlich.

Die ersten Lehrkräfte in Weilmünster waren wissenschaftlich vorgebildete Theologen, die außerdem neben dem Schuldienst als zweite Geistliche fungierten. Sie führten den Amtstitel Diakon oder Kaplan und hatten zusätzlich den Gottesdienst in Ernsthausen und den Nachmittagsgottesdienst in Weilmünster zu halten.

Im Jahr 1681 baute der Marktflecken auf der Hunstadt (Hußdett) eine neues Schulgebäude. Es stand auf dem Gelände links vom Bleidenbach, westlich vom später errichteten Geschäftshaus Söhngen. Bis zum Jahr 1683  wurden in Weilmünster die Knaben und die Mädchen gemeinsam unterrichtet. Nach der Fertigstellung der neuen Schule auf der Hußdett im Jahr 1683 erfolgte die Trennung der Schüler in eine Knaben- und eine Mädchenklasse. Die Gründung der Mädchenschule ist auf die Initiative der vornehmen Hüttenherren aus den Familien Sorge, Kraft und Wilhelmi, der Anverwandten oder unmittelbaren Vorfahren des großen Pädagogen Adolf Diesterweg zurückzuführen. Die beiden ersten Mädchenlehrer, die in Weilmünster auch noch nebenbei die Stelle des Amts- und Gerichtsschreibers des Amtes und Gerichtes Weilmünster begleiteten, waren von 1683 bis 1699 der Schneidersohn Peter Mück aus Weilmünster und von 1699 bis 1732 der Förstersohn Philipp Michael Klein aus Lützendorf. Beide waren von Beruf Schneider und gelernte Feldmesser. Ein Beweis dafür, dass man zu dieser Zeit die Mädchenausbildung nicht so wichtig genommen hat. Das kleine Schulhäusel auf der „Hußdett“ beherbergte je eine Knaben- und Mädchenklasse, war jedoch für die sehr schnell wachsende Schülerzahl bald zu klein geworden.

Die Zeichnung von J. Hötzel aus dem Jahr 1959 zeigt Weilmünster um das Jahr 1500. Sie vermittelt uns einen Eindruck, wie Weilmünster damals ausgesehen haben könnte.  Archiv, Heimatverein Weilmünster

Amtshaus des Amtes Weilmünster, erbaut im 17. Jahrhundert, 1979/80 in der heutigen  Form restauriert. Foto: Archiv Heimatverein

Im 17. Jahrhundert entstand an der Hauptstraße das Amtshaus des Amtes Weilmünster, Sitz eines Oberschultheissen mit Gericht und Gerichtssitz.  Es handelt sich um das Gebäude am heutigen Rathausplatz, das derzeit das Standes- und Bauamt der Gemeindeverwaltung Weilmünster beherbergt und im Volksmund „Alte Schule“ genannt wird. Aus Raumnot im alten Schulhäusel auf der „Hußdett“ verlegte man 1722 die Mädchenklasse in das genannte Amtshaus und ab Herbst 1822 wurde auch die Knabenklasse dort untergebracht. Das Schulhäusel ging später in Privatbesitz über und ist Anfang des 20. Jahrhunderts bei diversen Umbauarbeiten verschwunden.

Der Marktflecken Weilmünster baute etwa um 1800 ein neues Rathaus. Dieses Gebäude wird bis heute von der Gemeindeverwaltung genutzt. Als im Jahre 1849 die Schülerzahl der Knabenklasse auf 95 anstieg, wurde der Klassenraum im früheren Amtshaus zu klein. Deshalb verlegte die Marktgemeinde die Knabenklasse in das obere Stockwerk des neuen Rathausgebäudes und richtete zusätzlich eine 4. Lehrerstelle ein. Diese Klassen- und Lehrerzahlen blieben nun bis zum Jahre 1913 unverändert bestehen.

Die alte Schule am Rathausplatz in Weilmünster war äußerst ärmlich eingerichtet. Sie hatte niedrige, muffige und überfüllte Klassenzimmer die mit meist mehr als 80 Kindern besetzt waren. Noch im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hatte Weilmünster den Ruf, baulich die schlechteste Schule im Oberlahnkreis zu besitzen. Es verdient allgemeiner Bewunderung, was die Lehrer der damaligen Zeit unter solchen Verhältnissen geleistet haben. Nicht jeder Lehrer fühlte sich in einem solchen Arbeitsmilieu wohl. Es winkten bereits die vor dem Ersten Weltkrieg entstandenen neuen Schulpaläste der Großstädte. Außer dem Hauptlehrer Herr Hof gab es damals in Weilmünster keinen Lehrer, der hier mehr als 35 Jahre gewirkt hatte. Sobald sich eine bessere Gelegenheit bot, sind alle Lehrer, außer Herr Hof, der sich durch die Verwandtschaft seiner Frau mit dem Marktflecken verbunden fühlte, von hier weggegangen.

Amtshaus des Amtes Weilmünster, erbaut im 17. Jahrhundert, 1979/80 in der heutigen  Form restauriert, mit der an der Südostseite befindlichen Erinnerungstafel. Foto: Archiv Heimatverein

Durch den Bau einer neuen Schule auf dem gemeindeeigenen Gelände rechts der Weil, gleich oberhalb vom Flecken, auf den sognannten „Weilehecken“, heute ist in diesem Gebäude die Grundschule untergebracht, hatte 1913/14 der damalige Bürgermeister Herr Phillip Heinrich Klein die Voraussetzungen geschaffen, dass die Schule Weilmünster in den 1920er Jahren, wie alle anderen Schulen im Land, erfolgreich an allen pädagogischen Neuerungen teilnehmen konnte. Nur in einem Punkt war die Schule Weilmünster der Weilburger Stadtschule noch nicht ebenbürtig. Weilburg hatte damals schon für seine Volks- und Töchterschule gemeinsam eine vollausgebildete technische Lehrerin. Als in der Schulvorstandssitzung am 17. Juli 1920 Schulrat Spahn dem Schulvorstand Weilmünster den Vorschlag unterbreitete, auch hier im Marktflecken eine technische Lehrerin anzustellen, stieß er auf den erbitterten Widerstand einzelner Gemeinderatsmitglieder. Einer von ihnen, ein Angehöriger einer „Freien Wählergemeinschaft“, stellte sogar in diesem Zusammenhang die Behauptung auf, dass 3 Strickfrauen diese Arbeit genauso gut, aber billiger machen könnten. Für viele in unserer ländlichen Gegend war damals die Schule noch ein notwendiges Übel und eine bessere Schulbildung ihrer Kinder noch eine reine Privatsache der Eltern. Es musste noch ein ganzes Jahrzehnt vergehen, bis man auch in Weilmünster für diesen Fortschritt reif geworden war.

In dem um 1800 erbauten neuen Rathaus zog 1849 im oberen Stockwerk die Knabenklasse der Volksschule Weilmünster ein. Heute wird dieses Gebäude von der Gemeindeverwaltung Weilmünster genutzt – Foto, Archiv Heimatverein -Weilmünster