Die neue Schule an der Weilstraße von 1913 bis 1945

Die neue Schule an der Weilstraße von 1913 bis 1945

Der Heimatverein Weilmünster erinnert

Die neue Schule an der Weilstraße, Teil 1 von 2, von 1913 bis 1945

Von Rudi Czech† anlässlich der 100 Jahrfeier der Grundschule Weilmünster am 20.06.2015 verfasst und  ergänzt aus den Aufzeichnungen von Robert Dann - Redigiert von Heribert Domes, 2022

Unsere Schule ist 100 Jahre alt, und sie bekam allerhand in dieser Zeit aufgebürdet. Zwei Weltkriege, Inflation, Lebensmittelmangel, Geldentwertung, politische Kapriolen und sonstige Schicksalsschläge haben sie begleitet, und wie ich glaube, hat sie das mit Bravour überstanden.

Die Schulsituation in Weilmünster war um die Jahrhundertwende vom 19. in das 20. Jahrhundert mehr als brenzlich geworden. Die Klassenzimmer in den beiden Schulhäusern am damaligen Marktplatz, heute Rathausplatz, (in diesen beiden Häuser ist nach entsprechender Sanierung heute die Gemeindeverwaltung untergebracht), waren dunkel und unhygienisch, von qualmenden Petroleumlampen mühsam erleuchtet, mit mehr als 300 Kindern dicht besetzt, von 4 Lehrern in einer pädagogischen Meisterleistung in der Schrift, der Kunst des Lesens und Schreibens, dem 1x1, den geforderten kirchlichen Aufgaben in einer oft stickigen Atmosphäre, vertraut gemacht.

Es musste etwas geschehen, und so blieb der Gemeinde trotz des hohen Geldbedarfs keine andere Wahl, als ein neues Schulhaus zu bauen. Rechts der Weil, oberhalb des Viehmarktes, besaß der Flecken Grund und Boden, der durch einige Zukäufe vergrößert werden konnte. Der Standort neben dem zuvor gebauten Pfarrhaus war genau der richtige Platz.

1913 ging es los, und es wurde ein solider, von guter Handwerkskunst errichteter Neubau, der trotz des von kaiserlich-königlichen Übeltätern losgetretenen Weltkrieges stattlich, solide und zweckentsprechend gelang.

Wegen des Krieges fand die Einweihungsfeier am 07. Januar 1915, recht bescheiden gehalten aus. Trotzdem gab es für die Schulkinder einen Weck und für den Schulvorstand und die Gäste im Gasthaus Ernst Jung Kaffee. 

105.315,65 Mark einschließlich der Badeanlagen im Keller, Schuldiener-Wohnung, Toilettenanlagen, Koks- und Kohleheizung, Haushaltslehrküche, Musik- und Zeichensaal, hatte der stattliche Bau gekostet, wovon die Gemeinde Weilmünster ein Drittel der Bausumme stemmen musste. 337 Schüler versammelten sich nun in den neuen, hellen, großräumigen Klassenräumen und wurden von 4 Lehrern unterrichtet. Zwei weitere vorgesehene Pädagogen waren bereits im Krieg an der Front.

Das 1915 in Betrieb genommene Schulhaus auf den Weilehecken

 Foto: Archiv Heimatverein Weilmünster

Die Kinder hatten in dieser Zeit neben der schulischen Unterweisung viele andere Aufgaben zu übernehmen wie zum Beispiel: 1915 sammelten sie eine Menge Eicheln und Bucheckern, 83 kg Lindensamen, 98 kg Ahornsamen, 117 kg Kastanien und Sonnenblumenkerne, 2 Wagenladungen Radreifen und Gummi, jede Menge Himbeeren, die von den Lehrersfrauen zu Saft verkocht und ins Lazarett der Anstalt gebracht wurde. Ja selbst Gold im Wert von 1500 Reichsmark konnten die Kinder erbetteln; doch auch die Lehrerschaft vermochte die Eltern und Verwandten der Schüler zur Zeichnung von Kriegsanleihen überreden, so dass auf diese Weise recht erhebliche Summen zusammenkamen um dem Krieg, letztlich vergeblich, auf die Sprünge zu helfen.

Nach der großen Völkerschlacht folgte eine Zeit der politischen Wirrnisse, die Schule war sogar geräumt und dann vom Soldatenrat besetzt worden. Ein Umstand, der den Schülern durchaus in den Kram passte, doch bald bekam die Schulobrigkeit die Sache wieder in den Griff, die Lehrer an die Katheder und die Schülerschar in die Bänke.

Jahrgang 1919 und 1920 im Eingangsbereich der 1915 in Betrieb genommenen neuen Schule.

Foto: Archiv, Heimatverein Weilmünster

Namen
  1. Reihe von links: Ella Schäfer, Lotte Schäfer,. Erna Rack,. (verdeckt) Schuldiener Heller, Irmgard Siebenlist, Herta Bonnkirch, Elli Weil, Else Völpel, Else Heilmann, Linchen Möller,. Meta Hardt,. Gertrud Ketter, Marga Paul
  2. Reihe von links: Hedwig Albishausen, Else Lommel, Helga Römermann, Luise Priester. Bienchen Fey, Tilly Haibach, Elisabeth Haibach, Adele Böhmer, Erika Dauer, Friedchen Paul, Margareth Brüttig, Lehrer Gräf
  3. Reihe von links: Handarbeitslehrerin Frau Hirschhäuser, Walter Bonnkirch, Robert Schäfer, Erich Bausch, Helmut Velten, Wilhelm Fey, Richard Schwarz, Albert Dietzel, Karl Nehl, Herbert Velte, Martha Radu
  4. Reihe von links: Albert Pfeiffer, Karl Schäfer, Anni Bluz, Johanna Seibel, Erika Wagner, Martha Völpel,. Elli Schmidt, Ilse Krüger, Lina Weil, Lotte Haubrich, Herta Bandorf, Paula Velten, Hermann Kunkler
  5. Reihe von links: Alfred Jost, Karl Held, Willi Möller, Helmut Siebenlist, Walter Becker, Richard Schäfer, Karl Kring, Willi Metzler, Willi Dietzel

Zucht und Ordnung beherrschte die mehr oder weniger Lernenden, nicht zuletzt durch gestrenge Züchtigungsmöglichkeiten, wenn die Taten der Schüler aus dem Ruder liefen, zureden und Ermahnungen nicht mehr halfen und nur der Stock oder Riemen sowie die ausrutschende Hand erzieherischen Erfolg versprachen. Die „Schandtaten“ der Kinder wurden sogar sorgfältig aufgezeichnet und von Zeit zu Zeit vom Schulinspektor, oftmals waren es die ortsansässigen Pfarrer, durch Unterschrift pflichtgemäß gutgeheißen.

Ab 1933 gebärdete sich die Schule dem neuen Regime entsprechend rassisch deutsch, die Parteiobrigkeit beherrschte die Erziehungsordnung, die auch die Lehrerschaft großenteils in ihren Bann zog. Doch schon bald, aller äußerlichen tausendjährigen Herrlichkeit zum Trotz brach ein neuer Krieg aus, der zunächst bejubelt, dann erduldet und am Ende wahnsinnige Schrecklichkeiten offenlegte.

Im April 1945, kurze Zeit vor dem Kriegsende, zogen die siegreichen Amerikaner in Weilmünster ein und besetzten auch die Schulgebäude, und viele Schüler hatten nun Gelegenheit um „chewing gum und chocolate“ zu bitten.

Schon bald bekam die neue Obrigkeit den Betrieb in den Griff, und die Schule füllte sich mit mehr oder weniger wissbegierigen Kindern. Lehrer Mössinger trat vor seine Klasse und sagte: „Also Kinder, wir haben jetzt Demokratie, und das müssen wir lernen, so wird alles ganz anders“! – So war es auch, allmählich kehrten die früheren Lehrer in den Schuldienst zurück und neue Lehrkräfte kamen hinzu. Auf diese Weise hat man das Schulschiff wieder flottgemacht und in friedliche Gewässer geleitet. – Zu Teil 2.